Verschollene Generation
Künstler Willem Grimm
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Willem Grimm

1904 Eberstadt - 1986 Hamburg

Grimms Familie war handwerklich-künstlerisch geprägt. Bereits sein Vater und sein Großvater waren Lithografen. Daher lag es nahe, dass auch er sich den grafischen Techniken verschrieb. Seine Ausbildung begann er bei Rudolf Koch, der schon bald seine malerische Begabung erkannte. Nicht nur von seinem Elternhaus wurde er religiös geprägt, sondern auch von seinen Lehrern Rudolf Koch und Karl Caspar im Sinne einer religiösen Kunst.
In Worpswede, wo er sich 1922 in der Künstlerkolonie Worpswede aufhielt, kam er mit dem Werk von Paula Modersohn-Becker in Berührung. 1924 ließ er sich in Hamburg nieder und studierte an der Landeskunstschule Hamburg bei Willi Titze. Zunächst widmete er sich noch fast ausschließlich den grafischen Techniken, doch wandte er sich durch die e zur Hamburger Sezession und der Bekanntschaft mit Karl Schmidt-Rottluff mehr und mehr dem Medium der Malerei zu.
Förderung erfuhr er durch die Kunsthistorikerin Rosa Schapire, die sich auch für Maler der Künstlervereinigung Brücke einsetzte, sowie durch die Kunstmäzeninen Cläre Grimm und Emmy Ruben. Er machte sich bereits während des Studiums einen Namen, besonders durch seine experimentelle Grafik. Nach einigen Gastausstellungen bei der Hamburger Sezession wurde er 1929/30 offizielles Mitglied.
Anfang der 1930er Jahre, mit 27 Jahren, zählte er bereits zu den wichtigsten Hamburger Künstlern.
1930 bekam er einen Atelierraum im Ohlendorff-Haus, einem alten Palais, das die Stadt den Künstlern zur Nutzung übergeben hatte.
1930 bis 1931 hatte er einen Lehrauftrag für Naturzeichnen an der Landeskunstschule angenommen und die Kunstkritiker waren ihm wohlgesinnt. Gemeinsam mit den befreundeten Künstlern Karl Ballmer, Karl Kluth und Kurt Löwengard sowie weiteren Kollegen entwickelte er den Hamburger Sezessionsstil. Typisch für seine Ausprägung dieses Stils waren eine farbige, geschwungene Linienführung, die mit einer flächigen Komposition zusammenspielte. Auf seiner Palette überwogen Töne, die im Farbkreis nahe beieinander liegen.
Neben klassischen Genres wie Porträt, Landschaft und Stillleben beschäftigte sich Grimm ab 1931 mit dem Motiv der "Rummelpott-Szenen", das für sein Oeuvre schließlich charakteristisch werden sollte. "Rummelpott" ist ein alter norddeutscher Brauch. In der Silvesternacht gehen die Kinder von Tür zu Tür und sammeln Leckereien ein. Dabei sind sie grotesk-gespenstisch verkleidet, teilweise mit Masken. Der Süddeutsche Grimm, der auch die Fasenacht in Basel kannte, war fasziniert von den beiden Seiten dieser Tradition - dem Lustig-Heiteren des Kinderspieles und der durch die Verkleidung und der Dunkelheit geschaffenen unheimlich-grotesken Atmosphäre. Diesen Bildern fügte er oft eine einsame Mädchengestalt hinzu. Sie rührte von der Trauer über den frühen Tod der Tochter einer Freundin her. Die Mädchengestalt verleiht den derb-lustigen Szenen etwas Melancholisches. Zudem steht die Einzelfigur der Kindergruppe als Kontrapunkt gegenüber. Bei den beliebten "Zinnober"-Festen der Sezession engagierte er sich begeistert, zuletzt auch auf der Bühne.
Er unternahm 1926-1929 erste Studienreisen nach Paris, New York und Indien, wobei sich seine Eindrücke in Paris unmittelbar in seiner Arbeit widerspiegeln. In dieser Zeit hat er auch seine ersten Ausstellungen im Hamburger Kunstverein und in der Hamburger Sezession. Willem Grimm begann an der Landeskunstschule seine erste Lehrtätigkeit, zunächst als Abendlehrer für Naturzeichnen. Daneben malte er zwei Wandgemälde für Hamburger Schulen. Darüber hinaus nahm er an der Ausstellung 'Ung Hamborger Kunst' in Göteburg teil, deren Kurator Gustav Pauli war. Neben seinem engen Malerfreund Kurt Löwengard standen ihm besonders Fritz Flinte, Karl Kluth und Karl Ballmer, der ihn stark beeinflusst hat, nahe.
1932 erhielt er zusammen mit Karl Kluth und Hans Ruwoldt von der Hamburger Amsinck-Stiftung ein Stipendium für eine Italienreise, die sich in der Ausstellung des Hamburger Kunstvereins 'Drei Hamburger in Italien' niederschlägt.
Nachdem die Nationalsozialisten die Herrschaft in Deutschland übernommen hatten und auch die Kultur unter ihre Dominanz brachten, zog sich Grimm aus dem Kulturleben zurück. Er reagierte vorsichtig und abwartend auf die neuen Verhältnisse und äußerte sich kaum mehr über Politik. Durch häufige Reisen versuchte er den Nazi-Angriffen und der Aufmerksamkeit der Hamburger Reichskammer der bildenden Künste zu entgehen. So trafen sich die ehemaligen SezessionistInnen Kurt Löwengard, Erich Hartmann, Ivo Hauptmann, Gretchen Wohlwill, Eduard Bargheer und Maria Wolff zum Zeichnen und Aquarellieren in kleinen Gruppen oder zu zweit auf der Insel Sylt und an der Ostsee. Grimm malte 1934 auf Gut Boldebuck in Mecklenburg und reiste mit Karl Kluth nach Norwegen, 1935 nach Dänemark, Sylt und immer wieder nach Basel zur Fasnacht. 1936 reist er in die Alpen und nach Schweden.
Die Repressionen der Nationalsozialisten erreichten Willem Grimm weniger als viele seiner Malerkollegen; dennoch wurden geplante Ausstellungen nicht eröffnet oder vorzeitig geschlossen, wie die Olympia-Ausstellung des Hamburger Kunstvereins 1936 sowie fünf Arbeiten als 'entartet' aus der Hamburger Kunsthalle entfernt.
Die Hamburger Sezession, deren Mitglied er war, hatte sich bereits selber aufgelöst, weil sie unter anderem nicht dem Wunsch der Nazis entsprechen wollte, ihre jüdischen Mitglieder auszuschließen. Grimm besuchte schließlich eine Landwirtschaftsschule in Worpswede und wurde eine Zeit lang Landwirt auf dem Hof seines Schwiegervaters bei Malente. Zu Beginn des 2. Weltkrieges zog ihn die Wehrmacht ein. Er musste jedoch nicht an die Front, sondern blieb in Norddeutschland, wo er Munitionsdepots zu bewachen hatte.
Als 1943 sein Atelier in Hamburg an der Isestraße durch Bomben zerstört wurde, in dem seine Arbeiten und damit sein Lebenswerk vernichtet worden waren, war er zutiefst deprimiert. Dennoch begann er schon kurz nach Kriegsende wieder künstlerisch zu arbeiten, was zunächst durch die zeichnerische Rekonstruktion seiner Bilder geschah. In seinen neu geschaffenen Werken knüpfte er an sein früheres Schaffen an und behielt seinen Motivschatz bei. Stilistisch entwickelte er sich weg vom Sezessionsstil: Die Linie wurde weniger betont, dabei legte er mehr Wert auf die Flächenkomposition. Friedrich Ahlers-Hestermann berief ihn 1946 als Professor an die Hamburger Landeskunstschule, heute Hochschule für bildende Künste Hamburg, wo er bis 1969 tätig war.
1962 wurde er Mitglied der Darmstädter Sezession. Als Professor für 'Freie Malerei' hatte er eine Vielzahl von Studenten an die Malerei herangeführt, sie begeistert, stark beeinflusst und ihnen vor allem das künstlerische Sehen nahe gebracht. Vicco von Bülow (Loriot) und Reinhard Drenkhahn, dessen früher Tod ihn sehr bedrückt hatte, sowie Gerda Maria Raschke, mit der er bis zu seinem Tode eng befreundet war, gehörten zu seinen Schülern.

Willem Grimm war eine der wichtigen Persönlichkeiten des Hamburger Kunstlebens. Er ist weithin bekannt geworden und gilt als bedeutender - wenn auch nicht wegweisender - Künstler und Lehrer. Bis zuletzt hat er die künstlerische Entwicklung seiner Schüler mitverfolgt. Willem Grimm malte bis zu seinem Tod am 19. September 1986. Die Hamburger Kunsthalle, die ihm schon zu seinem 80. Geburtstag eine Retrospektive seiner zeichnerischen Arbeit widmete, hat 2004 zu seinem 100. Geburtstag einen Querschnitt seines Werkes gezeigt. Ende 2008 wurde der gesamte Nachlass von den Erben dem Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg überlassen, das dort Ende 2008 bis Anfang 2009 eine Grimm-Ausstellung durchführte.

Kurzvita
1904
Am 2. Mai In Eberstadt (bei Darmstadt) geboren.
1919-bis 1921
Besuch der Kunstgewerbeschule Offenbach, Klasse Rudolf Koch
1922
Debschitz-Schule in München bei Carl Caspar, anschließend in Worpswede, Handdrucke für Walter Hollander
1924
Pralinenschachtelbemaler bei Armbruster in Bergedorf, Hamburg, später auf Empfehlung Dr. Rosa Schapires Studium an der Landeskunstschule bei Willi Titze
1926
Bei Karl Schmidt-Rottluff, Berlin
1926/29
Aufenthalte in Paris, aktiv in der Hamburgischen Sezession, Atelier in der Hartwiccusstraße
1929
"Grimm-Gesellschaft" (gefördert durch die Sammlerin Emmi Ruben)
1930/31
Lehrauftrag Landeskunstschule
1931
Italienreise mit Ruwoldt und Kluth
1933
Atelier im Ohlendorff-Haus
ab 1934
Jährlich auf Sylt
Studienreise mit Kluth nach Norwegen, Reisen nach Dänemark und Basel, in die Alpen und nach Schweden
1937
Heirat mit Käthe Franck, zwei Kinder (Michael und Kathrin), fünf Arbeiten wurden als "Entartete Kunst" aus der Hamburger Kunsthalle entfernt, eine in Husum, daraufhin landwirtschaftliche Ausbildung auf dem Barkenhof, Worpswede
1939
Rückkehr mit der Familie nach Hamburg, im 2. Weltkrieg Munitionsbewacher in Rissen
1945 bis 1969
Lehrer (Prof.) Freie Malerei an der Kunsthochschule Hamburg
1959
Edwin-Scharff-Preis
1963
Ehe mit der Malerin Margret Thiemann
1967
Villa Massimo / Rom
1986
In Hamburg gestorben.

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